Energieanwendung
14.03.2021
Kein Rauch, und das schon sehr lang
Der Rauch & Lang von 1916 und der Mazda MX-30 von 2020 weisen beide auf ihre Art in die Zukunft.
Das Elektroauto des US-Herstellers Rauch & Lang kam 1916 als Taxi in Betrieb und ersetzte ein Pferdefuhrwerk – praktischer, sauberer und eleganter, Platz für zwei Passagiere und einen Fahrer oder eine Fahrerin. In den Roaring Twenties galt für die resolute Frau von Welt: «surren statt röhren». Sie musste den Wagen nicht von Hand ankurbeln und brauchte so keinen Chauffeur. Die berühmteste Elektroauto-Fahrerin ist Oma Duck in den Donald-Duck-Comics. Wie im Comic wird der Rauch & Lang mit einer Lenkstange dirigiert. Linkskurven gehen einfacher als Rechtskurven, bei denen der Fahrer sich den Hebel fest an den Bauch pressen muss. Zierliche Fahrerinnen haben einen Agilitätsvorteil.
Beschleunigt wird mit einem Hebel für einen Stufenschalter, ähnlich wie bei alten Trams. Für die Bremse gibt’s ein Pedal mit einem Feststeller und für den Rückwärtsgang einen Fussknopf. Sowohl der Rauch & Lang wie auch moderne Elektroautos wie der Mazda MX-30 orientieren sich an der Welt, die sie ablösen sollen. Der Rauch & Lang ist Kutschenbau durch und durch, Blattfedern, Klavierlack und opulente Polsterung, die Besitzer Stephan Musfeld absichtlich im abgewetzten Originalzustand lässt. «Früher hätte man das neu gemacht», sagt der Gründer der Oldtimergarage «Pantheon» in Basel. Aber er lässt das im Urzustand. Das Auto soll auch in solchen Details seine 105-jährige Geschichte erzählen.
Wo der Rauch & Lang Kutsche ist, ist der Mazda Verbrenner. Niemand muss sich umgewöhnen, die Umgebung wird von Kameras und Sensoren erfasst und auf Bildschirme projiziert. Beim E-Methusalem übernehmen das riesige Fenster und ein Rück- und Schminkspiegel in Wagenbreite. Mit einer Ladung kommt der Mazda 160 Kilometer weit – um den Grossteil der Fahrten mit einer möglichst kleinen Batterie bewältigen zu können. Der Rauch & Lang schafft 80 Kilometer, mit lediglich 30 km/h. Doch in Paris wird künftig generell Tempo 30 gelten. Das macht den Rauch & Lang zum eleganten Elektrotaxi der Zukunft.
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Mehr als hundert Jahre liegen zwischen den beiden Elektrodautos Mazda MX - 30 von 2020 und dem Rauch & Lang von 1916. Das Kraftwerk Augst ist etwa gleich alt wie der Elektro-Methusalem. Es wurde zwischen 1908 und 1912 gebaut und wird für die Elektroautos der Zukunft den grünen Strom liefern.
Die Batterien trägt der Rauch & Lang unter der Fronthaube.
Genau wie heute, waren Elektroautos vor über 100 Jahren sehr teuer. Entsprechend wurde auf die Details geachtet.
Die Zeit ist nicht spurlos vorbeigegangen. Am eingebauten Batterieladegerät gibt es auch ein paar modernere Komponenten.
100 Jahre Elektrotechnik auf kleinstem Raum.
Das Feststellpedal für die Bremse war auch in Kutschen üblich.
Der Mazda MX - 30 übernimmt die Formensprache der Benziner.
Wo der Rauch & Lang Kutsche ist, ist der MX - 30 Verbrenner. Die Leute sollen sich möglichst schnell mit der Bedienung zurechtfinden – damals wie heute.
Der Wählhebel im elektrischen Mazda.
Der Mazda verfügt sogar über einen normalen Wechselstromanschluss. Mixer und Kaffeemaschine braucht man wohl selten im Auto, aber vielleicht mal einen Computer.
Unter der Haube des Mazda findet sich viel Technik und viel Platz. Der reicht sogar noch für den legendären Wankelmotor, der die Reichweite deutlich verlängert, wenn es denn mal nötig sein sollte.
Am Mazda gibt’s das heute üblich ausgefeilte Lichtdesign, am Rauch & Lang dagegen nur einfache Lämpchen. Die waren allerdings 1916 auch revolutionär. Die Beleuchtung des Wagens war schon elektrisch, als die meisten Fuhrwerke und frühen Autos noch mit Kerzen und Petrollampen unterwegs waren.
Pantheon – das Museum zum Selberschrauben
Das Pantheon, die «Heimat» des Elektro-Oldtimers «Rauch & Lang», ist das Kind von Unternehmer Stephan Musfeld. Er hat die kreisrunde Werkhalle aus den 1960er-Jahren und die dazugehörenden Gewerbeimmobilien einem Bauunternehmen abgekauft und in ein lebendiges Museum umgebaut. Hier können die Eigentümer und Eigentümerinnen von historischen Fahrzeugen ihre Autos sowohl einstellen wie auch ausstellen, reparieren und pflegen. In die Halle wurde eine von aussen zugängliche spiralförmige Rampe eingebaut, auf der die Autos abgestellt sind. Für die Mieter bietet das Museum eine Sattlerei, eine Lackiererei und neu auch einen Kühlermacher.
Besucher sehen sowohl restaurierte wie auch unrestaurierte Fahrzeuge, wobei sich hier in den letzten Jahren die Vorstellungen von «besser als neu» zu «sichtbarer Geschichte» hin entwickelt haben. Gleichzeitig gibt es ein Café-Restaurant, das bei den Mitarbeitenden der umliegenden Gewerbebetriebe sehr beliebt ist. Das Pantheon kann auch für Veranstaltungen und Apéros gemietet werden.