Energieanwendung

13.02.2018

«Der Hype wird abflauen»

Seit der Aufregung um die Krypto­währung «Bitcoin» ist die Technik dahinter in aller Munde: Blockchain. Professor Roger Wattenhofer über die neue und die alte Blockchain-Welt.

zVg/ETH Zürich, Infel
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Stark dank Vernetzung: Die Blockchain-Technologie findet in immer mehr Bereichen Anwendung, nicht nur in der Kryptowährung «Bitcoin», die laut Roger Wattenhofer bald verschwinden könnte.
Erleben wir gerade einen Blockchain-Hype?

Roger Wattenhofer: Ja, das tun wir.

Was wird davon bleiben?

Bleiben werden die Klassiker: fehlertolerante verteilte Systeme und Kryptographie. Dazu Kryptowährungen und verwandte Konzepte wie Kryptoverträge. All das sind allerdings schon Konzepte aus dem letzten Jahrhundert.

Dennoch redet alles über Blockchain wie über etwas ganz Neues. Haben Sie eine kurze Definition für Laien?

Ich würde Blockchain so definieren: eine fehlertolerante verteilte Datenbank zeitlich geordneter Transaktionen, abgesichert mit kryptografischen Methoden. Leider gespickt mit Fachbegriffen und nicht ganz kurz.

Die Blockchain: Eine Transaktion von A zu B wird als verschlüsselter «Block» gespeichert, im Netzwerk geteilt, validiert und der «Kette» aller Trans­aktionen angehängt. Diese ist für alle ­Teil­nehmer einsehbar.
Das heisst, die Technik könnte Bankkontos ersetzen, aber auch Garantieurkunden, Versicherungsverträge, Abstimmungsunterlagen?

Grundsätzlich ja. Bei Abstimmungen ist es aber nicht ganz so einfach. Stichwort: Stimmenkauf. Dieses Problem löst auch die Blockchain nicht.

«Bitcoin und Blockchain sind Konzepte aus dem letzten Jahrhundert.»

Roger Wattenhofer
Ihr Institut beforscht unter anderem die Blockchain. Welche Fragen werden untersucht?

Es gibt nicht eine Blockchain, sondern viele verschiedene Ansätze, mit Vor- und Nachteilen. Entsprechend gibt es viele verschiedene Fragen. Wir selbst möchten die Anzahl Transaktionen pro Zeit erhöhen. Bitcoin kann weltweit zirka 10 Transaktionen pro Sekunde ausführen, ein Übertragungsprotokoll, welches meine Kollegen und ich entwickelt haben, 10 Millionen. Ausserdem untersuchen wir spieltheoretische Aspekte der Blockchain.

Und der Energiebereich? Wird bald im grossen Stil auf Blockchain-Basis Strom gehandelt, wie dies bereits in kleinen Pilotprojekten passiert?

Warum nicht? Bitcoin funktioniert weltweit und seit bald 10 Jahren. Aber auch andere grosse Projekte sind «Blockchain-Verwandte» – zum Beispiel Googles Gmail-System oder Börsen­handels­systeme. Ich glaube, auch die Energiebranche hat das Thema schon früh aufgegriffen. In Zukunft werden wir Anwendungen auch im Kleinen sehen. Nach dem Motto: «Darf meine Solaranlage Energie in deinem Tesla speichern?».

Fachchinesisch

  • Fehlertolerant: Ein System, das auch bei fehlerhaften Eingaben funktioniert, oder bei Hard- und Softwarefehlern
  • Verteiltes System: Ein System aus unabhängigen Computern, das nach aussen als ein System wahrgenommen wird
  • Kryptografie: Allgemein die Wissenschaft der Verschlüsselung von Botschaften, heute vor allem im Computerbereich angewendet
  • Spieltheorie: Ein Teilbereich der Mathematik, der das Entscheidungsverhalten von Akteuren untersucht – zum Beispiel in Konfliktsituationen
Computer reden miteinander und bezahlen sich gegenseitig: Die Verfechter der Blockchain sehen sie als Basis einer grundlegend neuen Wirtschaft. Wie sähe diese aus?

Das ist die Maximal­variante: ein vollkommen offenes System wie Bitcoin. Die meisten Blockchain-Anwendungen werden nicht so weit gehen. Stattdessen werden wir Systeme mit einigen sich gegenseitig kontrollierenden Markt­teilnehmern sehen. Ich erwarte nicht, dass sich das Marktgefüge stark verändert.

Und der Arbeitsmarkt? Die Blockchain könnte Buchhaltungen ersetzen und ganze Bürogebäude leerfegen.

Nicht nur die Blockchain. Ich werde meinen Kindern nahelegen, keine klassischen Bürojobs zu lernen. Machine Learning und andere Entwicklungen der Informations­technologie werden viele Tätigkeiten ersetzen oder zumindest vereinfachen. Ich persönlich bin skeptisch, dass diese Jobs einfach durch andere ersetzt werden. Es braucht in Zukunft vermutlich weniger Lohnarbeit.

Kommt mit der Blockchain auch das bedingungslose Grundeinkommen wieder auf die Traktandenliste?

Einen direkten Zusammenhang gibt es da nicht. Wenn man die Blockchain als Mosaik­steinchen sieht im sehr viel grösseren, allgemeinen Prozess der Digitalisierung, und der damit einhergehenden Frage, wie die Zukunft der Lohnarbeit aussieht, dann würde ich die Frage wahrscheinlich bejahen. Aber das war jetzt ein sehr grosser gedanklicher Spagat.

Müssen sich für die neue Blockchain-Welt die Gesetze ändern? Etwa für Streitfälle, wo die Regierung die Blockchain knacken will?

Das muss sie nicht. Dank Krypto­graphie können Markt­teilnehmer sich gegenseitig und anderen beweisen, dass sie so gehandelt haben, wie sie behaupten. Das ist um einiges besser als ein klassischer Server. Vielleicht sollten Anwälte im Studium lernen, was eine digitale Unter­schrift ist (schmunzelt)?

Smarte Verträge

Kryptowährungen sind nur eine Anwendung der Blockchain und nicht mal die interessanteste. Die sogenannten «Smart Contracts» könnten die Wirtschaft dereinst ganz auf den Kopf stellen. Das Konzept ist schon alt, doch erst jetzt sind sie realisierbar.
Worum es geht: Smart Contracts sind Programm­code in der Blockchain. Dieser bildet die Logik eines Vertrags ab. Wenn… dann: Praktisch jede Art von Vereinbarung lässt sich so automatisieren. Transaktionen werden transparent festgehalten und auf Einhaltung der Vertrags­bedingungen geprüft. Zahlungen erfolgen automatisch, sogar von Maschinen zu Maschinen. So könnten Autos ihren Strom gleich selbst bezahlen.
Mittels Triggerung durch Sensoren können hoch­entwickelte hybride Prozesse gestaltet werden, mit Lebens­mitteln etwa, die ihren Qualitäts­grad melden und festgelegte Prozesse oder Zahlungen auslösen. Penaltys werden automatisch vom System ausgesprochen, das den Service Level automatisch überwacht und Abweichungen unerbittlich und vor allem fälschungssicher festhält. Smart Contracts gelten auch in der Versicherungs­branche als revolutionär: Damit könnten etwa Versicherungen automatisch mit einer gebuchten Leistung – einen Flug zum Beispiel – abgeschlossen werden.

Der Energieverschleiss der Blockchain ist hoch, vor allem bei Bitcoin. Bekommen wir das in den Griff?

Das haben wir schon im Griff – länger, als es Bitcoin gibt. Ich bin sehr überrascht über den Erfolg von Bitcoin, denn die anonyme Person dahinter hat einige sehr fragwürdige Entscheidungen getroffen. Doch ich glaube, dass der Bitcoin-Hype irgendwann abflaut und nur noch die Unterwelt anarchische Krypto­währungen wie Bitcoin einsetzt. Stattdessen werden staatliche Krypto­währungen kommen, die ohne aufwändiges Mining auskommen, und energie­effizient sind.

Professor am D-ITET

Zur Person

Roger Wattenhofer ist Professor für Verteilte Systeme an der ETH Zürich. Dort untersucht er unter anderem Bitcoin und die Blockchain.

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