Energieanwendung

22.11.2018

Komfort statt Askese

Der Verein Minergie hat die grosse Energieeffizienz-Welle ins Rollen gebracht. Vor 20 Jahren stiess er das grosse Umdenken bei Planern und Behörden an.

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Energie sparen und sich trotzdem in den eigenen vier Wänden wohlfühlen: Mit diesem Versprechen verhalf Minergie der Gebäudeeffizienz in der Schweiz zum Durchbruch.

«Die Haupterkenntnis der Minergie-Pioniere war, dass man mit weniger Energie­verbrauch komfortabler leben kann», sagt der Geschäfts­leiter des Vereins Minergie, Ingenieur Andreas Meyer. Zwar gab es immer wieder Bestrebungen, Häuser besser zu iso­lieren und dichtere Fenster zu installieren. Allerdings ging das auch einher mit Kampagnen, die Heizung zurückzu­drehen. Das erschien den Konsu­menten als erzwungene Askese und kam nicht gut an.

46 000 Minergie-Häuser

Der Minergie-Standard warb deshalb von Anfang an mit komfortablerem Wohnen: keine kalten Wände, keine ungleiche Wärme­verteilung im Haus trotz glühender Heizkörper – und das mit tieferem Energie­verbrauch. Diese Argumentation hat funktioniert, vor allem als die Kantone die Idee zu unterstützen begannen und die Banken mit günstigeren Hypotheken für Minergie-Häuser nachzogen. Heute gibt es in der Schweiz rund 46 000 Minergie-zertifizierte Häuser, rund vier bis fünf Prozent aller Gebäude.

4–5% aller Häuser in der Schweiz sind Minergie-zertifiziert.

Ähnlich viele Häuser wurden «Minergie-ähnlich» oder «Minergie-äquivalent» gebaut. Bei ihnen wurde jedoch nicht nur die Zertifizierung gespart – die kostet nur 1200 Franken. Oft fehlt die kontrollierte Lüftung, ein zentraler Baustein des Minergie-­Standards. Denn alte Gebäude lüften sich durch ihre undichte Gebäude­hülle selber. Moderne, dichte Häuser dagegen müssen systematisch gelüftet werden, sonst bildet sich Schimmel. Die Fenster sollten dafür die meiste Zeit geschlossen bleiben, um die Wärme­­isolation nicht wirkungslos zu machen. Natürlich dürfen sie auch in einem Minergie-Haus geöffnet werden, etwa um im Sommer nachts zu kühlen. Doch für den konstanten Luftaustausch ist die Lüftung zuständig.

Minergie digital

Mittlerweile gibt es die Standards Minergie, ­Minergie-P, Minergie-A und Minergie-Eco sowie Kombinationen davon. Minergie im Neubau bedeutet mindestens ein Viertel weniger Energie­verbrauch als aktuelle, nicht zertifizierte Neubauten. Minergie-P-Häuser entsprechen dem Passivhaus-Standard und brauchen fast keine zusätzliche Heizung mehr. Minergie-A-Häuser produzieren mit Solarenergie-Installa­tionen mehr Energie, als sie übers Jahr benötigen, und der Eco-Standard erweitert die anderen Standards um das Element der Bauökologie und der nachhaltigen Materialien.

Zukünftiger Schwerpunkt von Minergie wird laut Andreas Meyer die Qualitäts­sicherung sein. «Oft mangelt es an Koordination und Zusammenarbeit zwischen Architekten, Planern und Handwerkern und noch öfter zwischen den Nutzern», sagt er. Diese wüssten oft nicht, was ihre Gebäude könnten und wie sie richtig bewirtschaftet würden. Hier müsse Minergie ansetzen – und gleichzeitig das Ziel des bezahlbaren Wohnraums im Auge behalten. Wohn­eigentum werde aufgrund steigender Preise für immer mehr Menschen in der Schweiz uner­schwinglich. Meyer betont, dass es wichtig sei, neue Möglichkeiten der Kostenreduktion auszuschöpfen. Dazu gehören standardisierte Gebäude und digitalisierte Planungsabläufe. Das würde Minergie-Häuser gegenüber konventionellen Bauten nicht zu gleichen, sondern zu tieferen Kosten ermöglichen – und mit mehr Komfort.

Zertifizierter Mehrwert

Die Kernelemente des Minergie-Standards sind eine hoch gedämmte, luftdichte Gebäudehülle, Heizung durch nichtfossile Energieträger, kontrollierte Belüftung und bei Neubauten auch eine vorgeschriebene Eigenproduktion von Strom, zum Beispiel mit­hilfe photovoltaischer Elemente. Bauherren erhalten dadurch einen anerkannten Mehrwert: Minergie-Häuser haben einen höheren Wiederverkaufswert, Banken ­geben für zertifizierte Gebäude günstigere Hypotheken, und in einigen Kantonen ist die zulässige Ausnützungsziffer für Minergie-Gebäude höher.

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