Energieanwendung
22.11.2018
Lungen der Industrie
Mit ihrer charakteristischen Form ragen Gasometer aus der Landschaft hervor. Einst spielten sie eine wichtige Rolle in der Industrialisierung. Kaum vorstellbar bei dem, was heute in ihnen vorgeht.
Sie stehen mal stumm am Horizont, mal mitten in der Stadt und überall in der industrialisierten Welt: rund, aus Stein und Stahl. Sogenannte Gasometer sind Teil der Industriegeschichte. Die ersten solchen Gasspeicher entstanden im 19. Jahrhundert in England. Damals wurde Gas lokal aus Kohle hergestellt und diente zum Beispiel der Beleuchtung. Öllampen und Kerzen verschwanden aus Häusern, Fabriken wurden taghell erleuchtet, die Industrialisierung war in voller Fahrt. Und Gasometer dienten als Puffer, sodass nicht ständig Gas produziert werden musste.
Ursprünglich der Name für das Messgerät, das weithin sichtbar Gasdruck und Füllstand anzeigte, wurde Gasometer zum Begriff für das gesamte Bauwerk. Die ersten waren gemauert, um architektonisch mit der Stadt zu verschmelzen. Eine bewegliche Glocke im Innern glich den Füllstand aus. Später kamen metallene Teleskopkonstruktionen zum Einsatz.
Heute sind Gasometer zu Monumenten geworden. Ihren Zweck erfüllen heute kugelförmige Hochdrucktanks oder das Gasnetz selber. Licht wird heute elektrisch erzeugt, Gas aus der Erde gefördert oder in Biogasanlagen produziert. Die einstigen Lungen der Industrie atmen nicht mehr. Und doch stehen viele noch. In Grossbritannien, wo einst jede kleinere Stadt von einem Gasometer überragt wurde, setzt sich die Victorian Society für ihren Erhalt ein. Und überall in Europa entdecken die Menschen die steinernen Zeitzeugen wieder: Umgebaut und neu genutzt, haben viele Gasometer ihren Platz in der Gegenwart gefunden. Ein zweites Leben für ein Stück Industriegeschichte.
Der Gasometer von Oberhausen im deutschen Ruhrgebiet diente einst der nahen Industrie. Heute ist das über 100 Meter hohe Gebäude ein Ausstellungssaal. Eine digitale 3-D-Projektion des Matterhorns ist Kernstück der aktuellen Ausstellung «Der Berg ruft». (Foto: alamy)
Wieder voll: Im ehemaligen Gasometer von Duisburg (D) befindet sich heute die grösste Indoor-Tauchanlage Europas. Da die 14 Mio. Liter Süsswasser nicht temperiert werden, gilt der Gasometer, in dem auch Schiffswracks versenkt wurden, als «Freiwasser». (Foto: caro images)
Die Wahrzeichen des Wiener Stadtteils Simmering: vier Gasometer, seit 2001 Wohn- und Einkaufskomplex. (Foto: foto-julius.at)