Geschichte

16.06.2019

Die Semper-Villa im Bergell

zVg Bregaglia Engadin Turismo
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Die Villa Garbald und der moderne Annexbau «Roccolo» der Basler Architekten Miller und Maranta.

Es braucht schon einiges an Selbstbewusstsein, sich von einem der berühmtesten Architekten des damaligen Europas eine feudale Villa ins Tal stellen zu lassen. Und hier steht sie, im Grenzort Castasegna, gleich neben dem Arbeitsort des Hausherrn Agostino Garbald, dem Zollübergang nach Italien: die Villa Garbald. Sie ist das einzige Werk südlich der Alpen von Gottfried Semper, dem Erbauer der ETH in Zürich und der Semperoper in Dresden. Und die Hausherrin war genauso selbstbewusst. Johanna Garbald-Gredig machte sich unter dem Pseudonym Silvia Andrea einen Namen als Schriftstellerin. Ihre Figuren waren starke, sich gegen die herrschende Ordnung auflehnende Frauen, und sie gilt in der Schweizer Literatur als eine der Wegbereiterinnen der Rechte der Frauen – keine Selbstverständlichkeit für die Zeit um 1880.

Die grosse Pergola der Villa Garbald.

Vom ältesten Sohn von Agostino und Johanna stammt das berühmte Porträt der versammelten Künstlerfamilie Giacometti. Andrea Garbald hatte in einem Labor der ETH in Zürich eine Lehre als Fotograf absolviert, kam dann zurück ins Bergell und arbeitete dort zeitlebens als Fotograf und Optiker. Doch das Werk der Familie Garbald geriet in Vergessenheit – bis der Fotograf Hans Danuser mit seiner Frau, die im Tal eine Stelle als Ärztin hatte, 1985 in der Villa eine kleine Wohnung mietete. Er entdeckte in Kisten auf dem Estrich den Nachlass von Andrea Garbald, etwa 600 Glasnegative, die das Leben im Tal über viele Jahrzehnte dokumentieren.

Die Bibliothek in der Villa Garbald.

Hans Danuser hat geholfen, das Werk der Familie Garbald wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Villa ist mittlerweile ein Seminarzentrum und Denklabor, das zusammen mit dem angrenzenden Neubau für Gruppen gemietet werden kann. Ein idealer Ort, um sich ein genaues Bild von der Welt zu machen und sich vorzustellen, wie sie auch noch aussehen könnte – so wie es die Familie Garbald getan hat.
garbald.ch

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