Energieversorgung

25.01.2018

Der Weg

Nach dem Ja zur Energiestrategie 2050 ist die Energiewende beschlossen. Doch die Frage bleibt: Wie kann sie gelingen? Auf der Suche nach praktischen Antworten.

Katrin Rodegast
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Im Jahr 2050 ist die Wende geschafft – die Energiewende. Das sagen zumindest Experten. So haben Forscher der amerikanischen Universität Stanford 139 Länder untersucht und sind zum Schluss gekommen, dass Strom aus Öl, Kohle, Gas und Uran bis 2050 der Vergangenheit angehört. Eine Studie des internatio­nalen Beratungsunternehmens DNV GL findet, dass der Energieverbrauch 2050 nicht höher ausfallen muss als heute – bei halbierten CO2-Emissionen. Ade fossile Energieträger, hallo Energiezukunft! Oder?

Der Blick ins Jahr 2050 scheint utopisch, in der Schweiz ist er politische Realität: die Energiestrategie 2050, deren erstes Massnahmenpaket im Mai 2017 an der Urne angenommen wurde. Die «ES2050», so ihre Kurzformel, ist nach dem Reaktorunfall von Fukushima entstanden. Der Atomausstieg ist deshalb Kernbestandteil: Keine neuen Kernkraftwerke dürfen gebaut, die bestehenden nur betrieben werden, solange sie sicher sind. Um das zu erreichen, wird das Energiesystem umgebaut. Die ES2050 fördert deshalb erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und Wasserkraft. Gleichzeitig soll der Energieverbrauch von Gebäuden, Fahrzeugen und elektrischen Geräten sinken.

Die Energiewende ist also sowohl gemäss Experten als auch Politikern machbar. Doch von wem hängt ihr Erfolg ab? Das Engagement von Privaten wird wichtig sein, auch das der Politik. Doch einige bauen schon länger aktiv an der Energiezukunft. Menschen wie Stephan Koch, der nicht mehr fragt, sondern mit erneuerbaren Energien das Stromnetz der Zukunft plant. Oder Ana Stojanovic, die dafür sorgen will, dass Gebäude endlich weniger Energie verbrauchen. Und schliesslich gibt es Philipp Hänggi, der mit der Stilllegung eines Atomkraftwerks eine Aufgabe hat, die in der Schweiz bis jetzt einmalig ist.

«Wir können die Still­legung ohne Zeitdruck planen.»
Philipp Hänggi, BKW AG, Vor­sitzender des Projekt­steuerungs­­ausschusses zur Still­­legung des Kern­kraftwerks Mühleberg

2034 ist Philipp Hänggis Arbeit getan. Dann wird in Mühleberg bei Bern nichts mehr zu sehen sein vom Atomkraftwerk, das über fünfzig Jahre dort stand. ­Philipp Hänggi, ein promovierter Physiker, ist bei der BKW verantwortlich für die Still­legung der Anlage. «Dass dieses Kernkraftwerk im Zeitplan und zu vernünftigen Kosten rückgebaut werden kann, ist ein Beweis, den ich gerne erbringe»,
begründet der langjährige Nuklearexperte die Motiva­tion für seine Arbeit.
Das Kernkraftwerk Mühleberg – in Betrieb seit 1972 – ist eine Standardanlage. Deswegen können Philipp Hänggi und seine Mitarbeitenden von Rückbau­erfahrungen im Ausland profitieren. Nach dem Ende der ­Stromproduktion werden die Brennelemente aus dem Reaktor entfernt und bis 2024 ins ­Zwischenlager Würenlingen gebracht. Damit werden bereits 98 Prozent der Radioaktivität aus dem Atomkraftwerk entfernt sein. Vom übrigen Material sind 92 Prozent normaler Bauschutt. Von den restlichen 8 Prozent können drei Viertel gereinigt werden. So verbleiben am Schluss nur 2 Prozent des Gesamtmaterials als radioaktiver Abfall, der nach ­Würenlingen kommt. Gemäss Planung der BKW ist Mühleberg nach 2030 frei von Radioaktivität. Ab 2034 kann hier etwas Neues entstehen.
«Gebäuden, die Energie sparen, gehört die Zukunft.»
Ana Stojanovic, Forschung und Entwicklung, nexAero

Noch arbeitet Ana Stojanovic in einem kleinen Labor. Doch sie hat Grosses vor: Gebäude endlich energieeffizient machen. Diese verschwenden hierzulande bis zu zwei Drittel der Heizenergie – durch schlechte Isolation. Das will das Start-up «nexAero» ändern. Ana Stojanovic hat dort ein altes Wundermittel weiterentwickelt: Aerogel, ein poröses Material, das rund doppelt so gut dämmt wie konventionelle Materialien. Dadurch kann Aerogel sehr dünn aufgetragen werden – ein Vorteil, wenn historische Fassaden erhalten oder teure Wohnflächen maximal genutzt werden müssen. Bis jetzt ist Aerogel teuer. Doch der Produk­tionsprozess, den Ana Stojanovic und ihre Kollegen entwickelt haben, braucht weniger Lösungsmittel, ist schneller und halbiert so die Kosten. Als die Chemikerin 2009 für ihr Doktorat an die Universität Zürich gekommen ist, hat sie ihren jetzigen Chef und Gründer von nex­Aero, Matthias Köbel, kennengelernt. «Unsere ersten Materialproben haben wir in einem Bierfass hergestellt», erinnert sie sich. Heute entwickeln sie die Anlage eines internationalen Chemiekonzerns. Der verspricht sich viel: Aerogel isoliert auch Pipelines oder Batterien von Elektroautos. Ana Stojanovic wünscht sich hingegen mehr Zukunftsgebäude. Die sehen nicht anders aus als heute, verschwenden aber keine Energie.
«Das Stromnetz soll leistungsfähig bleiben. Und bezahlbar.»
Stephan Koch, CEO Adaptricity

Ohne die Erneuerbaren gäbe es Stephan Kochs Idee nicht; doch mit ihr lässt sich beim Ausbau der erneuerbaren Energien viel Geld sparen. Deshalb hat er im Anschluss an sein Doktorat an der ETH Zürich mit zwei Mitstreitern «Adaptricity» gegründet. Die Herausforderung, die das junge Team lösen will: das Stromnetz mit den erneuerbaren Energien nicht zu überfordern, aber auch nicht massiv und flächendeckend auszubauen. -Adaptricity berät Stromversorger, die ihr Netz fit für die Zukunft machen wollen, mit einer Software, die das Stromnetz und die Haushalte darin simuliert. So wird die kostspielige Netzinfrastruktur nur dort ausgebaut, wo unbedingt nötig. Schon während des Studiums hat sich der Regelungs-technik-ingenieur mit dem Stromnetz und der Rolle der erneuerbaren Energien darin beschäftigt. Zwei Dinge hat er erkannt: «Der Anteil von Solar-, Wind- und Wasserkraft wird steigen. Und das Stromnetz muss ‹intelligent› werden, wenn an die Stelle von wenigen grossen, zentralen viele kleine, dezentrale Energieerzeuger treten.» Denn diese beanspruchen das Netz, das stabil bleiben muss. Die Stromzukunft der Schweiz sieht Stephan Koch als Mosaik aus dezentralen Stromquellen und -speichern, Grosswasserkraft und einem intelligenten, grenzübergreifenden Netz, das alles zusammenhält. Nur eines bleibt, davon ist er überzeugt: bezahlbare Preise für die Endverbraucher.
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