Energieerzeugung

20.11.2019

Treibstoff aus Sonnen­licht und Luft

Ein an der ETH Zürich entwickeltes Ver­fahren ermöglicht es, flüssige Treib­stoffe mithilfe von Sonnen­energie zu gewinnen. Der Prozess funktioniert jetzt auch ausser­halb des Labors.

zVg ETH Zürich, Alessandro Della Bella, René Ruis
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Auf einem Dach der ETH Zürich steht eine An­lage, die aus solarer Wärme und Luft Treib­stoff produziert.

Die gängigen Treib­stoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin durch nicht­fossile und damit weniger umwelt­schädliche Alternativen zu ersetzen, ist ausser­ordentlich schwierig. Die hohe Energie­dichte der genannten Stoffe ermöglicht eine grosse Reich­weite bei wenig Gewicht und Volumen. Treib­stoffe aus Energie­pflanzen wie Zucker­rohr oder Mais haben wegen des Energie­aufwands für Anbau und Her­stellung nicht unbedingt eine bessere CO2-Bilanz und stehen zudem in Kon­kurrenz zur Nahrungs­mittel­produktion.
Eine Alternative könnten solare Treib­stoffe bieten. Der ETH ­Zürich ist es gelungen, einen Prozess zu ent­wickeln, mit dem sich aus Luft und Sonnen­licht so­ge­nann­tes Synthesegas her­stellen lässt. Dieses kann mit bekannten Ver­fahren zu flüssigen Treib­stoffen wie Methanol, Benzin oder Kerosin weiter­verarbeitet werden. Die ge­won­nenen Treib­stoffe entlassen bei ­ihrer Ver­brennung nur so viel CO2 in die Atmosphäre, wie dieser vorher bei der Treib­stoff­her­stellung ent­nommen wurde. Damit sind sie CO2-neutral. Zudem kann die bestehende Speicher- und Verteil­infra­struk­tur – zum Beispiel Tankstellen – weiterhin genutzt werden.
Nach rund zehn Jahren Forschung und Entwicklung funktioniert der Prozess nun auch ausserhalb des Labors. In Zürich, auf dem Dach des Maschinen­laboratoriums der ETH, steht eine An­lage, die pro Tag rund einen Deziliter Treib­stoff produziert. Kern­stück ist ein Solar­reaktor im Brenn­punkt eines Parabol­spiegels mit vier­einhalb Meter Durch­messer. Die Sonne dient nicht etwa der Strom­erzeugung durch Photo­voltaik. Vielmehr wird durch die Kon­zen­tra­tion des Sonnen­lichts eine Temperatur von 1500 Grad Celsius erzielt, die es für den thermo­chemischen Prozess braucht.

Nutzung solarer Wärme

Die Prozesskette besteht aus drei thermo­chemischen Schritten:

  • Mithilfe eines Filters sowie Nieder­­temperatur­wärme wird CO2 aus der Luft ge­filtert. Zudem wird aus der Luft­feuchtig­keit Wasser (H2O) gewonnen.
  • Im Solar­reaktor erfolgen zwei Schritte: Zuerst wird ein Keramik­schwamm aus Ceriumoxid durch kon­zen­trierte Sonnen­­hitze auf 1500 Grad Celsius erwärmt. Dadurch wird er chemisch reduziert, das heisst, er gibt Sauer­stoff ab. In einem zweiten Schritt werden – ohne Zufuhr von Sonnen­wärme – CO2 und H2O zum Keramik­schwamm geführt und dort bei rund 800 Grad in Kohlen­monoxid (CO) und Wasser­stoff (H2) umgewandelt. Dies ist möglich, weil das reduzierte Ceriumoxid Sauer­stoff auf­nehmen kann und damit wieder oxidiert.
  • Das Gemisch aus CO und H2 nennt sich Synthesegas und lässt sich in einem dritten thermo­chemischen Schritt in Methanol und andere flüssige Treib­stoffe umwandeln
Auf dem Weg zur Marktreife

Die Anlage wandelt derzeit lediglich rund 5 Prozent des Sonnen­lichts in Treib­stoff um. Das ist aller­dings bereits 13-mal mehr als zu Beginn der Ent­wick­lung im Jahr 2010. Eine weitere deutliche Wirkungs­­grad­steigerung auf etwa 20 Prozent sollte durch eine Wärme­rück­gewinnung möglich sein. Dabei geht es darum, die bei der Ab­kühlung von 1500 auf 800 Grad anfallende Wärme auf­zufangen und wieder einzuspeisen.
Neben der Demonstrations­anlage auf dem Dach der ETH mit 5 Kilo­watt Leistung (solare Einstrahlung) existiert eine 50-Kilowatt-Anlage in der Nähe von Madrid. Dort wird der Solar­reaktor im Rahmen des EU-Projekts «Sun to Liquid» in einem grösseren Mass­stab getestet. Das nächste Ziel ist, die Techno­logie schritt­weise auf indusrielle Grösse zu skalieren, das heisst bis auf etwa 20 000 bis 40 000 Kilo­watt, und zugleich Wettbewerbs­­fähigkeit zu erreichen. Die erste kommerzielle Anlage soll 2025 in Be­trieb gehen.

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Zur Person

Philipp Furler ist technischer Direktor der ETH- Ausgründung Synhelion. Das Unter­nehmen bezweckt, Solar­treibstoff kom­merziell nutzbar zu machen.

Was braucht es, damit aus der Demonstrationsanlage eine kommerzielle Anlage wird?

Wir müssen die Effizienz des Prozesses steigern, was neue oder angepasste Kom­po­nenten nötig macht. Zudem mü­ssen wir zeigen, dass der Pro­zess auch im grossen Mass­stab tauglich ist. Wir ent­wickeln zudem eine Palette anderer Tech­no­logien, die – auf der Basis ähn­lich­er Kom­po­nen­ten – den CO2-Ausstoss zwar nicht kom­plett vermeiden, dafür aber deutlich günstiger sind.

«Wir wollen solaren Treib­stoff markt­tauglich machen»

Wie sieht es mit den Kosten pro Liter aus?

Kerosin kostet heute etwa 50 Rappen pro Liter. Wir gehen aber davon aus, dass dieser Preis steigen wird, zum Bei­spiel durch zunehmend höhere CO2-Ab­gaben. Für unseren solaren Treib­stoff peilen wir einen Liter­preis von 1 bis 2 Franken an und hof­fen, damit markt­tauglich zu werden. Dabei müssen wir auch ge­gen­über anderen Alternativ­­treib­stoffen bestehen können, zum Bei­spiel gegenüber Bio­­treibstoffen. Wir sind aber zu­ver­sich­tlich, dass dies gelingen kann: Unser Pro­zess läuft in weniger Prozess­schritten ab als andere Ver­fahren und hat deshalb ein höheres Effizienz­potenzial.

Wie wichtig ist bei diesem Projekt die Zusammenarbeit mit der EU?

Das EU-Projekt «Sun to Liquid» mit der Turm­anlage in Madrid hat gezeigt, dass unsere Tech­no­lo­gie in einem grösseren Mass­stab an­wend­bar ist. Generell ist die enge Zusammen­arbeit mit For­schen­den aus der EU wert­voll für die tech­nische Entwicklung.

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