Energieerzeugung

10.03.2022

Strom aus dem Innern der Erde

Erdwärme zur Raumheizung zu nutzen, verbreitet sich immer mehr. Mit Erdwärme aus grosser Tiefe lässt sich aber auch Strom erzeugen.

Werner-Siemens-Stiftung, Felix Wey
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Im Felslabor BedrettoLab untersucht die ETH Zürich mit Experimenten, wie sich die Tiefengeothermie sicher und effizient nutzen lässt.

Entstanden vor rund 4,6 Milliarden Jahren als feurige Kugel, kühlt sich unser Planet langsam ab. Die äussere Kruste ist seit Langem erstarrt. Doch ein Teil des Erdkerns tief im Innern ist noch immer so heiss, dass er flüssig ist. Wärme im Erdinnern entsteht aber auch laufend neu: beim Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente.

Vom Erdinnern in Richtung Oberfläche nimmt die Temperatur ab. Umgekehrt heisst das aber auch, dass die Temperatur zunimmt, wenn man von der Erdoberfläche in die Tiefe bohrt. Pro Kilometer beträgt die Temperaturzunahme in der Schweiz durchschnittlich etwa 30 Grad Celsius. In einigen Kilometern Tiefe herrschen also Temperaturen, die so hoch sind, dass sie Wasser zum Verdampfen bringen. Mit dem Dampf lässt sich eine Turbine antreiben und damit Strom erzeugen. Dies nennt man ein geothermisches Kraftwerk.

In Gegenden mit vulkanischer Aktivität braucht es weniger tiefe Bohrungen, bis man auf genügend hohe Temperaturen stösst. So gibt es beispielsweise in Island schon seit 1969 geothermische Kraftwerke. Und das weltweit erste geothermische Kraftwerk liegt in Larderello (Toskana, Italien) und liefert seit 1913 Strom. Doch auch in der Tiefe der Alpen ist es heiss, wie vom Bau des Gotthard-Basistunnels bekannt ist. Dort waren die Mineure bei einer Felsüberlagerung von 2300 Metern Temperaturen bis 46 Grad Celsius ausgesetzt – und dies trotz Kühlung von aussen.

Energie ohne Schwankungen

In menschlichen Zeiträumen betrachtet, ist die Erdwärme unerschöpflich. Das Wärmereservoir ist derart riesig, dass eine Wärme­entnahme die Abkühlung der Erde nicht beschleunigt. Erdwärme darf deshalb als erneuerbar bezeichnet werden. Ein Vorteil geothermischer Kraftwerke liegt darin, dass sie unabhängig von Witterung und Jahreszeit sind. Damit unterscheiden sie sich markant von Kraft­werken, die mit den erneuerbaren Energien Sonne und Wind betrieben werden.

Um die Wärme aus der Tiefe an die Erdoberfläche zu befördern, braucht es Wasser, das in den Boden gepumpt wird, dort durch Risse und Spalten im Gestein fliesst, sich dabei erwärmt und dann wieder an die Oberfläche gebracht wird. Die Durchlässigkeit des Gesteins ist wichtig, damit das Wasser fliessen kann.

Die Nutzung oberflächennaher Erdwärme ist heute weit verbreitet: Wärmepumpen mit Erdsonde werden in der Schweiz bei rund 90 Prozent der Neubauten als Heizung eingesetzt. Geothermische Kraft­werke jedoch, welche die Wärme in grosser Tiefe nutzen, gibt es in der Schweiz bis anhin nicht. Zwei Versuche – einer in Basel und einer in St. Gallen – sind gescheitert: In Basel löste das Einpumpen von Wasser in eine 5000 Meter tiefe Probe­bohrung im Winter 2006/2007 mehrere spürbare Erdbeben aus. Auch in St. Gallen kam es 2013 zu spürbaren Erdbeben. Zudem wurde Erdgas gefunden, das sich aber nicht wirtschaftlich fördern lässt und ausserdem unerwünscht ist, denn das Ziel ist ja, von den fossilen Energie­trägern wegzukommen. Beide Projekte wurden eingestellt.

Felslabor im Bedrettotal

«Der Grund für den bisher ausgebliebenen Erfolg der Tiefen­geothermie ist mangelndes Wissen: Wir verstehen die Prozesse in einem geothermischen Reservoir noch zu wenig.» Diese Aussage macht Professor Hansruedi Maurer vom Institut für Geophysik der ETH Zürich. Um diese Wissens­lücken zu schliessen, hat die ETH ab 2018 – zusammen mit nationalen und internationalen Partnern – ein Forschungs­labor aufgebaut. Das Bedretto-Untergrundlabor für Geowissenschaften und Geoenergien (BedrettoLab) befindet sich in einem ehemaligen Baustollen des 1982 vollendeten Furka-Eisenbahntunnels; der Stollen endet im Bedrettotal. Das BedrettoLab ist weltweit eines von nur zwei derartigen Geothermie­labors; das andere gehört zur Sanford Underground Research Facility und befindet sich in South Dakota (USA).

Im September 2021 hat die ETH Zürich im BedrettoLab das Projekt VALTER gestartet: Validating Technologies for Reservoir Engineering, also das Testen von Technologien zur Nutzung tiefliegender Wärmespeicher. Durch mehrere hundert Meter lange Bohrlöcher wird Wasser in den Untergrund injiziert, um bestehende Risse und Klüfte weiter aufzubrechen und neue zu schaffen (sog. Stimula­tion). So lässt sich ein durchlässiges geothermisches Reservoir bilden. Das Vorgehen ist viel differenzierter als bei den Geothermie­projekten Basel und St. Gallen. Mithilfe sogenannter Packer wird das Bohrloch in mehrere Bereiche unterteilt. So ist es möglich, abschnittsweise Wasser­druck aufzubauen und nicht nur über die ganze Länge der Bohrung. Die Gefahr spürbarer Erdbeben soll dadurch minimiert werden. Zudem lassen sich bestehende Risse im Gestein gezielter erweitern und erkannte Störzonen umgehen.

Das Bedretto-Felslabor ermöglicht Versuche in einem wesentlich grösseren Massstab als ein Instituts­labor. Da die Forscher im Tunnel bereits rund 1500 Meter Gebirge über sich haben, können sie Versuche in grosser Tiefe durchführen, ohne so tief bohren zu müssen.«Im BedrettoLab wird es kein geothermisches Kraftwerk geben, denn der Standort ist dafür nicht geeignet», sagt Hansruedi Maurer. «Doch die Erkenntnisse, die wir im Felslabor gewinnen, werden die Nutzung der Tiefen­geothermie voranbringen.»

Das Potenzial der Geothermie

Die Energieperspektiven 2050+ des Bundes gehen von einem Beitrag der Tiefen­geothermie zur jährlichen Strom­produktion in der Schweiz im Jahr 2050 von 2 Mrd. Kilowattstunden (kWh) aus. Dies entspricht rund 3 Prozent des schweizerischen Endverbrauchs von etwa 60 Mrd. kWh pro Jahr (2020). Dies ist zwar nicht allzu viel. Doch damit die Energiewende gelingt, müssen alle möglichen Wege der Energie­gewinnung beschritten werden. Auch lassen sich geothermische Reservoire als Wärme­speicher nutzen: sommerliche Wärme im Untergrund einspeichern, um sie im Winter zu verwenden.

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