Energieanwendung
19.11.2020
Lastwagen geben Gas
CNG und LNG sind als Treibstoff für den Schwerverkehr marktreif und ökologisch.

Elektrifizierung ist nicht die einzige ökologische Antriebsform. Beim Gütertransport hat der Antrieb mit Erd- und Biogas, verflüssigt als LNG oder komprimiert als CNG, immer mehr Anhänger. Beim Flüssiggas ist die Energiedichte höher und damit die Reichweite grösser, bei CNG gibt es dafür deutlich mehr Tankstellen. Chemisch sind beide identisch. Schon das fossile Erdgas emittiert rund ein Viertel weniger CO2 und 90 Prozent weniger Luftschadstoffe als Diesel oder Benzin. Mit 100 Prozent Biogas, das Kläranlagen oder landwirtschaftliche Betriebe ins Gasnetz einspeisen, ist der Betrieb klimaneutral. Migros Ostschweiz und Migros Basel betonen denn auch, dass ihre Gaslastwagen ausschliesslich mit Biogas fahren.
Technologisch lehnen sich Gasmotoren eng an klassische Verbrennungsmotoren an. Mittlerweile sind Fahrzeuge und Treibstoff etwa gleich teuer wie bei konventionellen Lastwagen. Doch es hat lange gedauert, bis die Motoren den heutigen technischen Stand erreicht haben. Deshalb stellten in den letzten Jahren Busbetriebe, die vor 15 Jahren CNG-betriebene Fahrzeuge beschafft haben, teilweise wieder auf Diesel um. Frühere Gasmotoren lieferten wesentlich weniger Drehmoment. Busse aus den 2000er-Jahren mit Gasantrieb reagieren deshalb auf giftige Steigungen sehr asthmatisch und konnten in Städten mit vielen steilen Strassen die Fahrpläne oft nicht einhalten. Für Lastwagen kommt noch ein weiteres Problem dazu. Busse tanken immer an der gleichen Stelle im Busdepot. Lastwagen dagegen müssen unterwegs an verschiedenen Orten tanken können. Da ist ein einigermassen dichtes Tankstellennetz wichtig.
Mittlerweile gibt es das Drehmomentproblem nicht mehr. Die Stralis-Zugmaschinen von Iveco mit einer Leistung von über 400 PS und einer Reichweite von bis zu 1600 Kilometern gehören zu den leistungsfähigsten und modernsten Aggregaten, entwickelt bei FPT Powertrain Solutions in Arbon. Die Firma ist aus der Motorenabteilung des ehemaligen Schweizer Lastwagenbauers Saurer hervorgegangen. Migros Ostschweiz ist sehr zufrieden mit den Gaslastwagen und hat mittlerweile zwei Iveco-Sattelzüge aus dem Testbetrieb fest übernommen. Auch Transportunternehmer Peter Krummen aus Kerzers setzt schon definitiv auf Gasfahrzeuge. In seinem Fall sind es Lastwagen von Volvo, mit denen er hauptsächlich für Lidl fährt. Die Motoren der Schweden funktionieren etwas anders als jene von Iveco. Sie verbrennen neben dem Gas auch noch etwa 10 Prozent Dieselöl. Das macht die Logistik mit einem zusätzlichen Tankvorgang etwas komplizierter, dafür verspricht man sich von dieser Dual-Fuel-Technologie eine höhere Effizienz.

Das Tankverfahren ist einfach und hat sich auch in anderen Verfahren, etwa in der chemischen Industrie, bewährt.

Der Tank mit dem verflüssigten Gas (LNG; Liquified Natural Gas) sitzt unter der Fahrerkabine.

LNG ist verflüssigtes Gas, CNG (Compressed Natural Gas) ist nur komprimiert. Mit LNG ist die Reichweite deutlich grösser, CNG ist dafür leichter verfügbar, und der Energieaufwand fürs Komprimieren ist kleiner als fürs Verflüssigen.

Moderne Motoren für Gaslastwagen lehnen sich eng an klassische Verbrennungsmotoren an. Es gibt aber auch hier unterschiedliche Konzepte. Das Schweizer Entwicklungsunternehmen FPT in Arbon setzt ausschliesslich auf Gas als Treibstoff und erreicht Reichweiten bis zu 1000 Kilometer. Volvo dagegen spritzt noch eine winzige Menge Dieseltreibstoff in den Motor.
Von 130 Fahrzeugen fahren bei Krummen schon 18 mit Gas, acht weitere sind bestellt. «Klar gibt es Einschränkungen», sagt Peter Krummen. «Ein Diesellaster hat mit einer Tankfüllung eine Reichweite von 3000 Kilometern. Ein Gaslastwagen kommt nur 1000 Kilometer weit. Wenn wir 600 Kilometer am Tag fahren, müssen wir sehr genau planen. Zudem gibt es nicht so viele Tankstellen; erst recht, weil von den wesentlich selteneren Gastankstellen nur wenige auch für Nutzfahrzeuge eingerichtet sind. Sonst stehen wir plötzlich irgendwo und können nicht mehr weiter.» Aber Peter Krummen sieht ein sehr grosses Potenzial bei den Gaslastwagen. Mit ihnen lassen sich Emissionen sehr schnell senken. Allerdings sei auch der Diesel nicht so schlecht, wie er immer gemacht werde: «Wir rechnen mit 25 bis 28 Litern auf 100 Kilometer für einen Vierzigtönner», sagt er. Das ist, wie wenn ein grosses Mittelklasseauto mit weniger als anderthalb Litern auskäme. Wichtig ist für Peter Krummen, dass die Gastechnologie von Volvo ausgereift ist. Die Transportbranche rechnet mit winzigen Margen. Darum kennt Peter Krummen die Rentabilität bis weit hinters Komma: «Heute haben wir mit Gas keinen Kostennachteil mehr, im Ausland dagegen sogar einen Kostenvorteil gegenüber Diesel», sagt er. Doch das steht für ihn an zweiter Stelle: «Entscheidend ist, dass wir mit den Gaslastwagen eine nachhaltige Lösung haben – und zwar schon jetzt.