Mobilität

09.09.2020

Kabinen, Draht­seile und das «Niederberger-Schiffli»

Seil­bahn­bauer sind ein Teil der Schweizer Industriegeschichte.

zVg standseilbahnen.ch / zVg Davos Klosters Tourismus, Stefan Schlumpf
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Das «Funi» von Fribourg wurde 1898 kom­plett von der da­ma­li­gen Giesserei Bern, der späteren Von Roll ge­baut. Die Anla­ge ist eine Wasser­ballast­bahn, bei der im oberen Wagen ein Tank mit Wasser ge­füllt wird um den unteren hochzuziehen.

In der Schweiz ent­wick­el­te sich schon früh ein ganzer In­du­strie­cluster, der den Seil­bahn­bau un­ter­stützte. Da gibt es illustre alte Namen wie VonRoll oder Oehler Aarau. Einer der wich­tig­sten ist aber wohl der Dorf­schmied Remigi Niederberger, der seine Firma 1881 gründete und ab 1898 rund um sein Heimat­dorf Dallenwil im Kan­ton Nidwalden für Bauern die ersten Heu­seile baute. Daran konnten die Bauern ihre Ernte in rasendem Tempo in die Tiefe sausen lassen.

Kantonale Kleinseil­bahnen

Die Firma hat darauf­hin vor allem in der Inner­schweiz und im Wallis sehr viele kleine, kantonal kon­zes­si­onierte Seil­bahnen gebaut. Sie ent­wick­elte auch eine eigene Kabine, das le­gen­där-mini­ma­lis­tische, an den Döschwo erinnernde «Niederberger-Schiffli». Es bot aus­rei­chend Schutz vor der Witterung und er­laubte ein sehr kurzes Gehänge – und damit relativ niedrige Seil­bahn­masten. Erkauft wurden diese Vor­teile mit teil­weise aben­teu­er­lichen Fahr­po­si­ti­onen wäh­rend der Fahrt. Auf flacheren Strecken liegen die Pas­sa­giere fast in der Kabine, auf stei­leren müssen sie sich fest­halten, um nicht aus dem Sitz zu kippen. Mitt­ler­wei­le ist Niederberger in der Firma Inauen-Schätti auf­ge­gangen, die sich auf kleine Seil­bahnen und Schräg­auf­züge spezialisiert hat.

Das legendäre «Niederberger Schiffli» in seiner offe­nen Variante bei der Bahn Erstfeld-Wilerli im Kanton Uri.

Weitere Schweizer Un­ter­nehmen in der Seil­bahn­branche sind die Firma Frey in Stans, die Seil­bahn­steuerungen her­stellt, und die grossen Seil­bahn­her­steller Garaventa und Bartholet. Eben­falls ent­schei­dend ist die Firma Fatzer in Romanshorn, die Draht­seile her­stellt für Seil­bahnen, aber auch für viele andere An­wen­dun­gen wie Glas­fas­saden, Stadion- und Hallen­dächer und Brücken. Das Unter­nehmen, das mitt­ler­weile zu Brugg Cables gehört, ist einer der wich­tig­sten Seil­lieferanten für Toni «El Suizo» Rüttimanns Fussgängerstege.

Die Parsennbahn in Davos fuhr schon bei ihrer Eröff­nung im Jahr 1931 mit Wagen von Gangloff. Auch bei der Moder­ni­sierung kamen die neuen Wagen wieder aus Bern. Das Unter­neh­men hatte bis in die 1930er-Jahre auch eine Filiale im elsässischen Colmar, wo sie praktisch aus­schliess­lich Wagen von Bugatti in ele­gan­tes Blech einkleidete.

Bugattis und Stand­seil­bahnen

Eine spezielle Rolle nimmt die Firma Gangloff in Bern ein, deren Seil­bahn-Kabinen­bau mitt­ler­weile zu Bartholet in Flums gehört. Die Firma war ur­sprüng­lich ein klassischer Carrossier, der den Luxus-Chassis der teuren Auto­mobil­her­steller ein standes­gemässes Kleid gab. Dazu hatte die Berner Firma im elsässischen Colmar eine Filiale, die prak­tisch aus­schliess­lich für Bugatti arbeitete, oft nach genauen Vor­gaben von Ettore Bugattis Sohn, Jean Bugatti. In Bern wurden eben­falls Luxus­autos karossiert, etwa jene der Schweizer Her­steller Pic-Pic oder Martini, aber auch Post­autos und Migros-Ver­kaufs­last­wagen. Und vor allem baute Gangloff sehr viele der heute romantisch an­mut­en­den alten Stand­seil­bahn-Kabinen und nach dem Krieg immer mehr Luft­seil­bahn-Kabinen.

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