Reisen

08.09.2021

Flims liegt in Holland

Die Bündner Tourismus­destination Flims baut für ihre Gäste eine niederländische Velo­infra­struktur – und bringt damit auch die Einheimischen aufs E-Bike.

flimslaax.com
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Wald und Dörfer wechseln sich ab. Die einfache «Drei-Seen-Route» führt durch den Flimser Wald und entlang der Rheinschlucht. Velofahrer können hier den Vorderrhein auf der spektakulären neuen Hängebrücke «Punt Ruinaulta» überqueren.

Die Glockentöne im Flimser Wald kommen nicht von Ziegen. Und zum Schlitteln liegt weit und breit kein Schnee mehr. Es sind die «Trail Bells», welche die Ferien­gäste an ihren Velos haben. Die kleinen Glocken sollen laut Martina Tresch von Flims Tourismus den Wanderern in nettem Ton ankündigen, dass sich ein Velofahrer nähert. Der Klang ist viel weniger aggressiv als das «Rrring-Ring» einer normalen Veloglocke. Denn Wanderer und Velofahrer sind mittlerweile oft auf denselben Wegen unterwegs. Gegenseitige Rücksichtnahme ist oberstes Gebot.

Velo fahren zwischen 600 und 3000 Metern

Den Anfang im Biketourismus machten junge Extrem­sportler, welche die steilen Wander­wege hinunter­gerast sind – mehr Problem als Kundschaft. Doch schon 1997 gab es die erste Bikevermietung an der Kasse der Bergbahn zum Crap Sogn Gion. Mittler­weile ist die Destination Flims Laax Falera zum Velopionier unter den Alpen­destinationen geworden. Es sind vor allem die E-Bikes, die der Sache Schub geben. Denn sie ermöglichen nicht nur Sports­kanonen das Velofahren in den Bergen. Das haben auch Hotels erkannt, die nun ebenfalls Velovermietung und Lade­stationen anbieten. So soll bis etwa 2024 in der Region für weitere 2,5 Millionen Franken neue Velo­infrastruktur entstehen. Dazu gehören Velowege, Abstell­möglichkeiten, Signalisierungen und öffentliche Lade­stationen. Gegenwärtig gibt es vierzehn solche Gratis­lade­stationen – mit Anschlüssen für alle gängigen Elektro­­velo­marken und immer angenehm neben einem Restaurant gelegen.

Die Flimser Velo­wege führen gemütlich durch den Wald oder auch bis hoch hinauf, wo es an den Berg­stationen der Berg­bahnen Lade­stationen für das E-Bike gibt.

Die Gemeinde hat aber auch eine Fussgänger- und Velobrücke über die Kantons­­strasse sowie einen weiteren Steg über den Rhein gebaut und erstellt nun einen völlig neuen Veloweg parallel zur alten Kantons­strasse. Die hat früher die Dörfer Trin, Flims und Laax mit einer nahezu unüber­windlichen «Blechbarriere» auf dem Weg zwischen Chur und dem Oberalppass durchtrennt. Seit der Eröffnung der beiden Umfahrungs­tunnels ist die Situation viel besser geworden, und auf der ganzen Strasse herrscht Tempo 30. Trotzdem ist es für Velofahrer unangenehm, auf dem Radstreifen neben Autos und Postautos fahren zu müssen. Der neue Radweg neben der Strasse schafft deshalb für Velofahrer einen Fahr­komfort, wie man ihn sonst nur in den Niederlanden kennt. Die neue Infra­struktur ist so beliebt, dass mittler­weile auch Einheimische viel weniger mit dem Auto unterwegs sind und statt­dessen aufs E-Bike steigen.

Künftig gibt’s auch am Berg mehr blaue Routen

Insgesamt gibt es in Flims Laax Falera 330 Kilo­meter Velowege – von gemütlich bis halsbrecherisch. Der Schwerpunkt des Ausbaus liegt nun bei den gemütlichen blauen Routen, von denen es vor allem in höheren Lagen noch zu wenige gibt. «Velofahrer bringen Frequenzen für die Bahnen, die auch im Sommer fahren», erklärt Martina Tresch. Berg­restaurants und Aussichts­punkte sind schon vorhanden. So ist es nur logisch, die höheren Lagen auch für Spazier­velofahrer attraktiv zu machen.

«Velofahrer bringen Frequenzen für die Bahnen, die auch im Sommer fahren»

Martina Tresch

Allerdings lässt sich auch schon auf den vielen bereits existierenden Wegen durch den Flimser Wald, zwischen den berühmten Bergseen und bis hinunter in die Rhein­schlucht sehr schön veloflanieren. Abseits des Autoverkehrs führen die Routen auf breiten Waldwegen, auf denen auch dank des Glöckleins Wanderer und Velofahrer gut aneinander vorbeikommen, durch ein abwechslungs­reiches Gelände. Gelegen auf einem prähistorischen Bergsturz­gebiet, steckt die Landschaft voller Überraschungen – seien es der strahlend blaue Caumasee oder der praktisch vom Wald eingeschlossene Crestasee und natürlich die Rheinschlucht. Badehosen im Gepäck sind Pflicht, genauso wie die App Inside Laax, die verhindert, dass man in dieser unübersichtlichen Welt aus Hügeln und Felsbrocken verloren geht und das nächste Restaurant nicht mehr findet.

Die Drei-Seen-Route ist auch für gemächliche Velofahrer ideal geeignet.

Doch wer sich zurechtfindet, fährt etwa die Wege am oberen Rand der Rhein­schlucht entlang, von Aussichts­punkt zu Aussichts­punkt und zum beliebten Ausflugs­restaurant Conn. Auch Graubündens Grand Canyon lässt sich mit dem Velo erkunden. Auf dem weglosen Abschnitt in der Mitte wird der Drahtesel auf die Bahn verladen. Dies hat seinen besonderen Reiz: Die Rhätische Bahn setzt auf diesem Abschnitt ihre legendären offenen Aussichts­wagen im normalen Fahrplan­betrieb ein.

Das E-Bike ist so wichtig wie der Skilift

Das Elektrovelo ist in einer alpinen Region nicht nur ein anderes Fortbewegungs­mittel. Es ermöglicht ein anderes Landschafts­erlebnis als beim Wandern. Die Attraktionen rücken zeitlich näher zusammen – und auch nach einem Tag mit dem Elektro­velo gibt’s Muskelkater. Vier Stunden Bewegung sind vier Stunden Bewegung, egal, ob 15 oder 40 Kilo­meter zurückgelegt wurden. Das machen sich auch lokale Wirte zunutze. Sie bieten einen E-Bike-Kulinarik-Trail an, der von Res­taurant zu Restaurant führt. Jeder Gang findet an einem anderen Ort statt. Die Velofahrer treffen auf den Teilstrecken auf eiserne Wegmarken, bestückt mit Zutaten, die das traditionelle Bündner Gericht in der nächsten Gaststätte erraten lassen.

So haben die elektrischen Velos für den Zweirad­tourismus in den Alpen den gleichen Effekt wie die Erfindung des Skilifts auf den Skitourismus. Sie machen Sport und Landschaft sehr viel mehr Menschen zugänglich – und eröffnen Gästen und Gastgebern neue Möglichkeiten und neue Ideen. Das Glöcklein am Velo ist nur eine davon.

Das Riders Hotel für Snöber und Biker

Das ehemalige Laaxer Partyhotel ist erwachsen geworden

Das Riders Hotel hiess früher Riders Palace und war jahrelang für die wilden Partys der Snöber-Szene bekannt, die hier nach einem langen Tag auf der Piste durch die Nacht in den Morgen hinein­feierte. Nun ist die alte Stamm­kundschaft älter geworden, und das Hotel hat sich ebenfalls verändert. Es spricht wohl noch immer dieselbe Kundschaft an, nur dass sie nun mit kleinen Kindern oder gar Enkeln kommt und das Feiern nicht mehr ganz so wichtig ist. Dafür gibt’s Zweier­zimmer, familien­freundliche Mehrbett­zimmer oder Studios, und die Bahn ist gleich auf der anderen Strassen­seite. Von hier aus liegen sowohl Flims in Velodistanz wie auch die Rhein­schlucht oder die Dörfer talaufwärts. Und selbst­verständlich kann man vom Hotel aus auch wandern, Ski fahren oder sich einfach so entspannen.

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