Energieanwendung
08.09.2021
Die Welt der automatischen Musik
Das Museum für Musikautomaten in Seewen zeigt Maschinen, die in höchster Perfektion musizieren.
Im Museum für Musikautomaten in Seewen im Solothurner Jura klingt und tönt eine verschwundene Welt. Hier lebt die mechanische Musik noch so, wie sie in Bahnhöfen, auf Jahrmärkten und in den Salons und Grandhotels der Belle Époque spielte. Die frühen Spieldosen wurden schnell komplizierter, etwa mit Musikapparaten mit kreisrunden Blechplatten als Tonträger, die sich anfühlen wie eine Gemüseraffel. Feine Zähne zupfen an einem Tonkamm und erzeugen so die Musik. 1905 lancierte die Firma M. Welte & Söhne in Freiburg i. Br. das pneumatische Reproduktionsklavier «Welte Mignon». Das geheim gehaltene Aufnahmeverfahren übertrug das Klavierspiel eines Pianisten auf eine gelochte Papierrolle. Anschlagstärke und Tondauer werden durch Luft gesteuert, die an jedem bestimmten Punkt durchs Papier dringt. Die Aufnahmen sind so gut, dass selbst Profimusiker kaum erkennen, ob ein Stück ab Rolle oder ab CD gespielt wird.
Auch die Eisenbahnen waren gute Kunden der Musikautomatenbauer – um die Langeweile in den Wartsälen zu vertreiben. In vielen Bahnhöfen, vor allem in der Westschweiz, gab es Musikautomaten, die beim Einwurf einer Münze ein Musikstück spielten, bewegliche Figuren tanzen liessen oder einen Alpaufzug zeigten.
Das imposanteste Exponat des Museums ist die Britannic-Orgel, eine automatische Welte-Konzertorgel für das Schwesterschiff der «Titanic», die «Britannic». Vom grossen Treppenhaus aus hätte die Orgel den ganzen vorderen Bereich des Schiffs beschallen sollen. Doch nach dem Untergang der «Titanic» verzögerten umfangreiche Umbauarbeiten an den Sicherheitseinrichtungen der «Britannic» die Fertigstellung bis nach Kriegsausbruch. Schliesslich wurde sie im Verlauf des Ersten Weltkriegs zum Spitalschiff umgebaut, fuhr in der Ägäis auf eine Mine und sank. Die Orgel war zum Zeitpunkt des Untergangs noch nicht eingebaut und blieb verschollen. Allerdings konnte der Gründer des Museums für Musikautomaten, Heinrich Weiss, schon 1969 eine grosse automatische Welte-Orgel kaufen. Erst bei der Restauration im Jahr 2007 wurden an drei versteckten Orten die Inschriften «Britanik» entdeckt – ein Stück tönende
Weltgeschichte.
Die Orgel des Transatlantik-Dampfers «Britannic» lässt sich spielen wie eine normale Orgel – oder sie spielt selber, mit Informationen von auf gelochten Papierstreifen gespeicherten Daten.
Das Museum für Musikautomaten besitzt Hunderte von Welte-Rollen.
Datenträger waren Blechplatten, Papierrollen oder sehr oft wie hier Stiftwalzen.
Die Pfeifen der Britannic-Orgel hätten das ganze Schiff zum Tanzen bringen können.
In vielen Musikdosen sind Stiftwalzen die Datenträger. Sie können nicht nur einen Tonkamm zupfen, sondern auch kleine Glocken anschlagen.