Geschichte

12.03.2020

Der Mittel­punkt der Welt liegt an einem Kanal, der nie gebaut wurde

Im Waadtland scheiterte die holländische Seemacht.

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Vom grossen Projekt des Kanals zwischen Nord­see und Mittel­meer durch die Juraseen, dem Canal d‘Entreroches, ist nur ein tiefer Ein­schnitt in einem Wald übrig geblieben.

Die Reise zum Mittel­punkt der Welt führt nicht in jene Richtung, die Jules Verne einst angab, also senk­recht in den Boden, sondern zu einem lauschigen Restaurant im Kanton Waadt. Das Örtchen heisst «Au Milieu du Monde», im Mittel­punkt der Welt, und liegt praktisch auf der Wasser­scheide zwischen den Fluss­sys­temen des Rheins und der Rhone, zwischen dem Mittel­meer und der Nord­see. Und hier sah die Welt­macht der Holländer nach dem Dreis­sig­jäh­rigen Krieg einen sicheren Weg ins Mittel­meer, der einen weiten Bogen um das katholische Spanien machte und mehr oder weniger sicheren pro­tes­tan­tischen Gebieten folgte. Iro­ni­scher­weise hätte die Ver­bindung im Aargau auf der Aare genau unter der Habsburg durch­ge­führt, Stamm­schloss der Habsburger, die damals in Spanien herrschten.
Allerdings wurde die Kanal­ver­bin­dung zwischen dem Genfer- und dem Neuenburger­see nie fertig. Für die letzten 40 Schleusen des Canal d’Entreroches, des «Kanals zwischen den Felsen», fand sich keine Fi­nan­zie­rung, obwohl der Kanal die Wasser­scheide und damit den «Mittelpunkt der Welt» bereits über­schritten hatte. Und ob es denn funk­ti­o­niert hätte mit der Ver­bin­dung ans Mittel­meer, ist nicht klar. Denn süd­west­lich von Genf fliesst die Rhone teil­weise sehr schnell und an einer Stelle, die mitt­ler­weile in einem Stau­see ver­schwun­den ist, sogar unter­irdisch. Dort musste die Fracht der ge­trei­del­ten Last­kähne jeweils auf Karren verladen werden. Eine Ver­bin­dung zwischen Mittel­meer und Nord­see gab es erst 1833 mit dem Rhein-Rhone-Kanal, der nörd­lich des Juras durch die Burgunder Pforte ver­läuft und noch immer vor allem für die Sport­schiff­fahrt genutzt wird.
Ge­blie­ben vom Canal d’Entreroches ist im Waadt­land ein etwa fünf Kilo­meter langer Ab­schnitt, zum Teil kaum sicht­bar, dann wieder als ein­drück­licher, aus­gemauerter, tiefer Ein­schnitt im Wald, hier am ver­ges­senen Mittel­punkt der Welt.
morges-tourisme.ch

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