Geschichte

16.06.2019

Das Tal der Familie Giacometti

zVg Andrea Garbald (1877–1958), Bündner Kunstmuseum Chur, Depositum der Fondazione Garbald / zVg Bregaglia Engadin Turismo
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Das Atelier in Stampa, eingerichtet von Giovanni Giacometti, wurde auch rege von seinen Söhnen Diego, Bruno und Alberto genutzt.

Das Tal ist steil und das Überleben anstrengend. Da ist Kunst nicht gerade die naheliegendste Berufswahl für junge Leute, schon gar nicht vor über 100 Jahren. Und doch gab es im Bergell schon im ausgehenden 19. Jahrhundert viele Einheimische, deren Horizont weit über die eigenen Berge hinausreichte. Das hing mit dem Transitverkehr zwischen der Region Mailand und Österreich zusammen, der hier durchführte, oder auch den Zuckerbäckern, die auswanderten und mit Geld und internationalen Kontakten zurückkehrten. Und da war auch die Familie von Salis, die sich schon immer viele schöne Dinge leisten konnte. Vor allem aber wurde Kunst an den Bergeller Talschulen von zwei Lehrern jahrzehntelang systematisch gefördert, und insbesondere die Familie Giacometti zeigte sich dafür sehr empfänglich.

Augusto Giacometti, Martinskirche, Chur
Das Tal der Familie Giacometti

Augusto Giacometti spezialisierte sich auf Glasmalereien. Von ihm stammen etwa die Kirchenfenster im Zürcher Fraumünster, in der Martinskirche in Chur und in der Kirche St. Johann in Davos. Sein Cousin Giovanni konnte vor der Jahrhundertwende in München und Paris studieren, bevor er ins Bergell zurückkehrte, und hatte daraufhin immer wieder die Grössen der Kunstwelt der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bei sich zu Gast, seien es Cuno Amiet oder Ferdinand Hodler. Giovanni machte sich erst nach und nach einen Namen als Künstler, aber nicht bei den wohlhabenden Gästen in St. Moritz, deren Geschmack er nicht traf, sondern bei den Galeristen in Zürich und Winterthur.

In dieser Umgebung, in der die ganze Familie über Kunst sprach und bei der immer wieder Künstler zu Gast waren, wuchsen die Giacometti-Kinder Alberto, Bruno, Diego und Ottilia auf. Sie wurden automatisch gefördert, kaum fingen sie an zu zeichnen und zu basteln. Alberto arbeitete schliesslich zusammen mit Diego in Paris, wo Bruno die Arbeiten seines älteren Bruders handwerklich perfektionierte. Vor allem nach dessen Tod konnte er auch mit eigenen Werken und eigenem Design reüssieren. Bruno wurde Architekt und baute unter anderem das Zürcher Hallenstadion, das Schulhaus in seinem Heimatort Stampa, die Angestelltenhäuser des ewz im Bergell oder das Bündner Naturmuseum in Chur, eines seiner letzten Werke.
centrogiacometti.ch

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