Energieanwendung

22.11.2018

«Auch der Klimaschutz ist ein Grund»

«Clean Meat» ist Fleisch aus dem Labor und heute keine Utopie mehr. Doch wann ist es in aller Munde? Christine Schäfer beschäftigt sich mit dem Fleisch der Zukunft und damit, wann und weshalb es auf unsere Teller kommt.

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Kuh vadis? Käme Fleisch aus dem Labor, müssten künftig keine Rinder mehr für einen Hamburger ihr Leben lassen. Doch noch mehr würde sich in der Produktion ändern.
2013 haben niederländische Forscher den ersten Hamburger aus dem Labor präsentiert. Geschätzte Kosten: 250 000 Euro. Wann ist «Clean Meat» marktreif?

Gemäss Prognosen soll Clean Meat bis im Jahr 2020 im Handel erhältlich sein. Auch der Preis soll sich bis dahin in «normale» Sphären begeben haben und das Produkt mit 10 Dollar pro Burger für den durchschnittlichen Konsumenten erschwinglich sein. Das Ziel der Hersteller ist es, Clean Meat zu produzieren, das billiger ist als das billigste konventionell produzierte Hühnerfleisch.

Wie muss man sich die Herstellung von Fleisch im Labor vorstellen?

Das Laborfleisch wird aus tierischen Stammzellen gezüchtet. Dabei werden zum Beispiel einem Rind in einem schmerzfreien Verfahren Zellen entnommen. Diese werden anschliessend in einer Trägerflüssigkeit so lange vermehrt, bis sie das gewünschte Gewicht erreicht haben.

Und das Resultat entspricht Fleisch, wie wir es kennen?

Hackfleisch funktioniert bereits ganz gut, an komplexeren Strukturen wie Steaks wird intensiv geforscht. Das Clean Meat unterscheidet sich insofern von konventionellem Fleisch, als im Clean Meat keine Antibiotika, Salmonellen oder schädlichen Bakterien enthalten sind und dass für die Produktion kein Tier sterben musste.

Das Argument für Clean Meat ist also der Tierschutz?

Nicht nur. Neben dem Tierwohl ist auch der Klimaschutz ein Grund für die Herstellung von Clean Meat. Die Fleisch­produktion ist enorm ressourcen­intensiv und für hohe Treibhausgasemissionen verantwortlich (s. Kasten). Forscher der Universitäten Oxford und Amsterdam fanden heraus, dass im Vergleich zu konventionell hergestelltem europäischem Fleisch der Energieverbrauch bei Clean Meat bis zu 45 Prozent niedriger ist. Dazu kommen je nach Produkt bis zu 96 Prozent weniger Treibhausgase, bis zu 96 Prozent weniger Wasserbedarf und 99 Prozent weniger Landverbrauch. Somit profitieren alle: Weniger Energieverbrauch und weniger Treibhausgase sind besser für das Klima. Auf Flächen, wo heute Tierfutter angebaut wird, kann wieder Nahrung für Menschen produziert werden, und der geringere Wasser­verbrauch wird vor allem trockene Gegenden entlasten.

1 kg Schweizer Rindfleisch aus Grossviehmast verursacht einen Treibhausgasausstoss von 8,8 kg CO2-Äqui­valenten (Agroscope, 2012) – so viel wie 81 km Autofahren (TCS, 2017, Škoda Octavia). Achtung: Gemeint ist 1 kg Lebendgewicht; davon wird weniger als die Hälfte als Fleisch verkauft.

Die gleichen Effekte hätte aber auch der Verzicht auf Fleisch …

Global ist der Konsum von Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten in den letzten fünfzig Jahren massiv angestiegen. Es ist daher nur schwer vorstellbar, dass die breite Masse sich plötzlich vegetarisch oder sogar vegan ernähren will. Aus diesem Grund wird intensiv an neuen Produkten für den weltweiten Hunger nach Fleisch geforscht. Mit Clean Meat gibt es ein öko­logischere und tierfreundlichere Alternative für Fleisch­esser. Sogenanntes Pflanzen­fleisch, das Firmen wie Impossible Foods oder Beyond Meat herstellen, bietet sogar eine vegane, komplett tierfreie Alternative, die trotzdem wie Fleisch schmeckt, riecht und aussieht.

Eine andere Alternative sind Insekten, seit 2017 in der Schweiz erhältlich. Setzt sich der Mehlwurmburger vor dem Laborburger durch?

Ich glaube, im Moment ist uns noch ­beides fremd. Insekten als Nahrungsmittel sind hier in der Schweiz kulturell nicht verankert. Und Laborfleisch ist ein komplett neues Produkt, das es so bisher noch nicht gab. Menschen passen sich in der Regel nur ungern oder langsam an Neues an. Durchsetzen wird sich schlussendlich das, was für die Mehrheit näher am Gewohnten liegt.

Klimaschutz

Christine Schäfer

ist Researcher am GDI Gottlieb Duttweiler Institut. Ihre Forschungs­schwerpunkte sind Food, Konsum und Handel. Sie ist Mitautorin des «European Food Trends Report».

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